22. Dezember

22. Dezember

 das art of advent Präsent

hier finden Sie weihnachtliche Worte zur Adventszeit von der Autorin Katharina Lisa Tolle

 

Die Weihnachtskugeldiebe

Bald ist Weihnachten …

 

Es waren einmal zwei Elstern, die lebten zwar recht bescheiden, aber glücklich zusammen. Sie waren nicht reich, aber auch nicht arm. Doch beide träumten sie ab und an davon, reich zu sein, und ganz viele glitzernde Dinge zu besitzen, denn Elstern lieben alles, was glitzert. Die eine Elster hieß Gertrude, und ihr Mann hieß Hermann. Eines Abends sagte Hermann zu sei-ner Gertrude: „Lass uns doch heimlich etwas Glitzerndes klauen!“

Aber Gertrude erwiderte: „Was? Das ist doch kriminell, Hermann!“

Plötzlich kratze sich Gertrude mit dem Flügel am Kopf: „Obwohl ... es wäre ja gar nicht schlecht ...“

Hermanns Augen leuchteten auf.

„Bitte“, bettelte er, „nur eine Weihnachtskugel!“

Es war der 18. Dezember und vor Kurzem hatten sie im Dorf einen schön geschmückten Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz aufgebaut. Am nächsten Morgen steckte Hermann als Erster den Kopf aus ihrem Nest. Er hatte sich einen schwarzen Strumpf mit zwei Löchern für die Augen über den Kopf gezogen.

„Die Luft ist rein, Gertrude, lass uns aufbrechen!“ 

Gertrude seufzte: „Ach Hermann, mit dem albernen Socken fällst du doch eher auf, als dass du dich tarnst!“

Schließlich zog Hermann missmutig den Strumpf wieder vom Kopf und sie flogen aus ihrem Nest. Hermann war sich seiner sicher, aber Gertrude bekam Angst: “Und was, wenn sie uns erwischen?“. 

„Jetzt beruhige dich doch, wir dürfen uns eben nicht erwischen lassen!“, schnatterte Hermann, ohne sie anzusehen.

Der Marktplatz war noch leer, als sie über den Christbaum flogen, denn es war noch sehr früh und gerade ging erst die Sonne auf. Geschickt stürzte Hermann sich auf den Baum, nahm eine rot-gold glitzernde Kugel ins Visier und riss sie mit einem gekonnten Hacker vom Baum. Sie hatten Mühe, die schwere Kugel zusammen nach Hause zu transportieren. Dort stellten sie die Kugel dann in ihrem Nest auf und seitdem saß Hermann Tag für Tag, die ganze Zeit davor und starrte seine so schön glitzernde Kugel an.

„Noch zwei oder drei davon würden noch gut hier ins Nest passen“, meinte er plötzlich. 

Und Gertrude konnte ihn nicht daran hindern, noch einmal zum Baum zu fliegen und eine Kugel zu stibitzen. Bald wurde das Nest voller und voller und Hermann begann, schon ein zweites, größeres, für noch mehr Kugeln zu bauen. Doch in dem Dorf herrschte schon große Aufregung. Es war kurz vor Weihnachten und es hingen fast keine Kugeln mehr am Baum.

In der Zeitung las man zum Beispiel: „Wer hat die Weihnachtsbaumkugeln geklaut?“ oder „Spart der Staat jetzt an Weihnachtsdeko?“ oder „Skandal, – das mysteriöse Verschwinden des Christbaumschmucks“.

Da bekamen die Elstern ein schlechtes Gewissen – das heißt, eigentlich nur Gertrude, denn Hermann tat es nicht leid. Im Gegenteil: Er arbeitete schon am dritten Nest für seine 17. Christbaumkugel. Die grün-silberne Kugel fehlte ihm noch in seiner Sammlung, und er plante schon eine Nestbeleuchtung mit elektrischen Weihnachtskerzen.

Also flog Hermann wieder aus, es war schon Mittag, denn er hatte geschlafen. Er wollte gerade mit der grün-silbernen Kugel im Schnabel davonfliegen, als ein kleines Mädchen ihn bemerkte und aufgeregt rief: „Schau, Mama, die Elster klaut alle Weihnachtskugeln!“

Daraufhin wurde am nächsten Tag ein großer Artikel in der Zeitung abgedruckt: „Vogel klaute Weihnachtsbaumkugeln“, und Hermanns und Gertrudes Nest – das einzige Elsternnest in der Nähe, wurde aufgesucht. 

Hermann bekam nun von der Polizei ganz schön etwas zu hören, alle schimpften auf ihn ein. Doch sie hatten Mitleid mit ihm und so beschlagnahmten sie nur seine Kugelsammlung und schickten ihn nicht ins Gefängnis.

Am Heiligen Abend schenkte Gertrude Hermann dann eine Weihnachtskugel, die der Polizist für Hermann dagelassen hatte.

„Mir reicht diese eine Kugel, und ich klaue auch keine mehr!“, sagte Hermann zu seiner Gertrude und bedankte sich. 

Seitdem verschwand zur Weihnachtszeit nie mehr eine Kugel, aber vorsichtshalber wurden sie mit Metall gefüllt, damit sie zu schwer waren, um weggeschleppt zu werden.