13. Dezember

13. Dezember

 das art of advent Präsent

hier finden Sie weihnachtliche Worte zur Adventszeit von der Autorin Barbara Kopf

 

Das kleinste Tännchen

 

Draußen im Tannenwald, da wo die Bäume schon ganz hoch sind, stand einmal ein kleines Tännchen. Damals als sein Samen vom Wind in die Welt geschickt wurde, fiel dieser genau zwischen die großen Bäume und genau da musste er bleiben und versuchen zu einem großen Baum heranzuwachsen.

Das war aber gar nicht so leicht, denn eigentlich war das kein guter Platz für ein kleines Bäumchen, um zu wachsen, es hatte dort ein schwieriges Leben. Durch die großen Bäume ringsum bekam es kaum genügend Licht und Luft. Seine Zweiglein streckte es weit nach oben, wie es nur konnte, damit hin und wieder ein Sonnenstrahl auf seine Nadeln fallen sollte, aber das gelang ihm leider selten genug. Dabei hatte es nur einen Wunsch, nämlich endlich bald so groß wie die anderen zu werden.

Die großen Bäume ringsherum unterhielten sich andauernd miteinander. Immer waren sie am Wispern und Flüstern. Sie sprachen über viele Dinge und auch davon, wie prächtig man sie schmücken würde, wenn sie dereinst einmal zu einem Weihnachtsbaum gemacht würden. Dann hätten sie lauter Lichter auf ihren Zweigen, überall hingen bunte Kugeln von ihnen herab und sie würden glitzern und glänzen wie die Sterne. Dabei nahmen sie von dem kleinen Bäumchen keine Notiz, ja sie bemerkten es nicht einmal, sie sahen nur nach oben und nicht nach unten, denn auch sie streckten sich nach der Sonne, um so viel Licht wie möglich einzufangen.

Wenn es regnete, bekam unser Tännchen auch nur ganz wenig Wasser, denn die großen Bäume hatten natürlich auch einen großen Durst und tranken das lebensnotwendige Wasser fast alleine. Das kleine Tännchen musste sich mit dem, was übrig blieb, begnügen und das reichte nur, um gerade so leben zu können. Un-ser Bäumchen fühlte sich manchmal schon richtig schwach und krank und war oft nahe daran aufzugeben. Doch dann träumte es wieder davon, doch noch so groß wie die anderen und ein Weihnachtsbaum zu werden. Dieser Traum hielt es am Leben.

Da geschah eines Tages etwas, was das Bäumchen noch nicht erlebt hatte. Es kamen starke Männer, die sich die Bäume nacheinander ansahen und dann mit seltsamen Geräten, die großen Tannen einfach abschnitten. Das war ein schlimmer, ohrenbetäubender Lärm und dem Tännchen wurde angst und bang. Die Tannen schienen sich aber darüber zu freuen, dass es endlich soweit war, und das konnte das kleine Tännchen nicht verstehen.

Manche der großen Bäume hatten irgendeinen Fehler und wurden einfach stehen gelassen, und darüber waren diese dann sehr traurig. Die Männer durften aber nur die allerschönsten, größten und gerade gewachsenen Bäume fällen, denn diese sollten jetzt zu Weihnachten prächtig geschmückt werden. Als alles vorbei war, bemerkte das kleine Tännchen, dass ringsherum auf einmal ganz hell die Sonne schien. Plötzlich hatte es genügend Platz, um seine kleinen Zweige auszubreiten, und darüber wurde es auf einmal richtig froh. Wie gut, dass es doch noch nicht aufgegeben hatte. Jetzt ließ es sich keinen einzigen Sonnenstrahl mehr entgehen, und wenn es regnete, trank es so viel, wie es konnte.

Von nun an musste es keinen Sonnenhunger und keinen Regendurst mehr erleiden. Und wirklich, mit der Zeit erholte sich unser Bäumchen. Das ging zuerst noch etwas langsam, aber dann wuchs es, dass es eine Freude war, dabei zuzusehen. Es wurde groß und immer größer und auf einmal war aus dem kleinen Tännchen eine große Tanne geworden. Eigentlich freute es sich darauf ein Weihnachtsbaum zu werden, genau wie die anderen, aber öfter dachte sie an die Männer mit den unheimlichen Geräten und dann seufzte sie schwer: "Wenn man doch nur das alles nicht erleben müsste, um ein Weihnachtsbaum zu werden".

Doch es kam. wie es kommen musste. Eines Tages waren wieder diese Männer im Wald, um Weihnachtsbäume auszusuchen. Die Tanne bekam einen großen Schreck, denn sie wusste, dass nun ihre Stunde gekommen ist. Sie wird zum Weihnachtsbaum gemacht werden. Voller Angst erinnerte sie sich daran, wie damals die Bäume abgeschnitten wurden. Ganz blass wurde sie, und ihre Zweige zitterten als sie die Geräte erkannte. Da kam auch schon einer der Männer auf sie zu, ging um sie herum, schaute von ihrer Wurzel bis hoch hinauf zu ihrer Krone, wackelte mit dem Kopf und ging wieder zurück.

"Den können wir nicht gebrauchen, der ist leider schief gewachsen", brummte er vor sich hin.

Die Tanne konnte es fast nicht glauben, aber die Männer gingen wirklich weiter. Da fiel der Tanne ein großer Stein vom Herzen. Sie war froh, dass sie ein schiefer Baum geworden war. Doch musste sie auch erkennen, dass sie nun an Weihnachten auch kein Weihnachtsbaum sein konnte, und das tat ihr nun auch wieder leid. Also sie blieb im Wald. Aber was war nun ihre Aufgabe? Das kann ich euch sagen.

Die Tanne konnte nun jedes Jahr ihre Samen in die weite Welt schicken, damit immer wieder neue Tannenbäume wuchsen, die dann auch zu Weihnachtsbäumen gemacht werden konnten. Sie wurde nun zu einer Christbaummutter und erkannte, dass ihre Angst vor dem Abschneiden unnötig gewesen war, denn alle Christbäume kommen nach Weihnachten auf die Himmelswiese und haben dort ein schönes Leben.

 

Ein Tännchen ist es noch so klein

wird auch mal groß gewachsen sein.

Dann wird es festlich bunt geschmückt

mit Weihnachtslichtern hell bestückt

Wenn es dann strahlt im Kerzenschein

kommt auch zu ihm das Christkindlein.

 

© Barbara Kopf